»Allendorf ist keine Blümchenwiese«

Gießener Allgemeine 25.07.2015 Von Kays Al-Khanak

Christian Zuckermann (Mitte) im Gespräch. Begleitet wird er von Helmut Wißner, dem Mitbegründer der Allendorfer Grünen. (Foto: rüg)

Christian Zuckermann (Mitte) im Gespräch. Begleitet wird er von Helmut Wißner, dem Mitbegründer
der Allendorfer Grünen. (Foto: rüg)

Christian Zuckermann ist das Gesicht der Bündnisgrünen im Allendorfer Parlament. Wegen seines Umzugs nach Gießen gibt er den Fraktionsvorsitz ab. Im Interview spricht er über frischen Wind, extreme Rechte und Koalitionskrach.

Herr Zuckermann, die Grünen sind ein Aktivposten im Stadtparlament, haben für frischen Wind gesorgt, als sie aus dem Stand bei der Kommunalwahl 2011 mit zwei Abgeordneten eingezogen sind. Wie kam es dazu?

Christian Zuckermann: Die Grünen sind relativ unbelastet ins Parlament gekommen. Wir hatten mit vorherigen Entscheidungen wenig zu tun, damit den Rücken frei und mussten auf niemanden aus parteitaktischen Gründen Rücksicht nehmen. Wir konnten frei von der Leber weg agieren.

Was hat sich seitdem verändert? Hat das Vorgehen der Grünen auf die anderen Fraktionen abgefärbt?

Zuckermann: Das ist so. Es war neu, dass wir in den Sitzungen viele Fragen gestellt haben. Auch weil die Protokolle im Mitteilungsblättchen veröffentlicht wurden, hatte es den Anschein, dass nur die Grünen fragen und die anderen Parteien nicht. Darauf haben sich nun auch andere Fraktionen eingestellt, vor allem im Vorfeld der nächsten Kommunalwahl. Doch es gibt noch immer Parteien, die wenig bis gar nichts fragen.

Der Einsatz gegen Rechtsextremismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“

Wie wurden die Grünen am Anfang wahrgenommen?

Zuckermann: Die anderen Parteien waren sicher wenig begeistert über unsere aktive Rolle. Mittlerweile sind wir aber sehr gut angekommen und streiten konstruktiv in der Sache mit den anderen Fraktionen. Ich denke, wir konnten einen Teil unserer Themen setzen, Grün ist immer ein wenig dabei.

Da fällt mir der Einsatz gegen die extreme Rechte ein…

Zuckermann: Es war wichtig, das Thema öffentlich anzusprechen und nicht unter den Teppich zu kehren. Da gab es unterschiedliche Meinungen, auch im Parlament. Aber die Aktivitäten der Rechtsextremen waren nicht wegzudiskutieren. Ich glaube, mittlerweile ist die Bürgerschaft sensibler geworden. Das ist wichtig, denn das Thema ist nicht aus der Welt. Das hat sich bei der Infoveranstaltung in Londorf gezeigt, bei der die extremen Rechten Parolen auf den Gehweg geschmiert haben. Das zeigt, dass man immer wachsam sein muss. Es ist aber viel passiert, zum Beispiel die Etablierung des Netzwerks für Toleranz und Demokratie, es gibt Veranstaltungen in der Gesamtschule Lumdatal. Der Einsatz gegen Rechtsextremismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die man nicht vernachlässigen darf.

Ein weiteres Thema, bei dem die Grünen hartnäckig sind, ist der Kindergarten und die Kinderbetreuung.

Zuckermann: Die Kinderbetreuung war im Wahlkampf noch gar kein Thema. Erst, als wir mit der parlamentarischen Arbeit begonnen haben, hat sich schnell gezeigt, wo die Schwierigkeiten liegen. Es hat uns überrascht, dass die Probleme sich wie ein roter Faden durch die Vergangenheit ziehen. Die Elternbeiräte haben oft Alarm geschlagen. Doch es wurde seitens der Politik nicht verstanden, auf sie zuzugehen und bessere Lösungen zu finden. Man hatte das Gefühl, dass der Kindergarten keinen Platz im Parlament hatte.

Warum?

Zuckermann: In Allendorf sind viele Eltern im Ort fest verwurzelt und konnten bisher mit Unterstützung ihrer Familienangehörigen Betreuungsmissstände kompensieren. Das hat sich im Laufe der Zeit geändert, Allendorf ist keine Blümchenwiese mehr. Auch hier müssen die Menschen die Betreuungssituation im Blick haben, was vor zehn Jahren vielleicht noch nicht so war. Die kontinuierliche Geburtenrate zeigt, dass der Bedarf an Betreuungsplätzen nicht nachlassen wird. Es gibt nun auch andere Standards, und das muss man berücksichtigen.

In Allendorf haben sich die Grünen relativ schnell auf die Seite von Erzieherinnen und Elternbeirat geschlagen, als es im die Trägerschaft der städtischen Kindertagesstätten und die Mängel am Totenhäuser Weg ging.

Warum?

Zuckermann: Dass es Träger Trägerwechsel geben wird, war lange vorher bekannt. Es hat mich nur gewundert, dass das Thema kaum im Parlament behandelt wurde. Und wenn, dann gab es nur eine kurze Informationen. Aber es gab bis vor Kurzem keine Diskussion über die Optionen. Auch bei den Grünen gibt es unterschiedliche Meinungen, ob die Stadt selbst Träger sein oder einen anderen Anbieter finden sollte. Warum wir uns auf die Seite der Eltern geschlagen haben? Die Zeit bis zum 31. Dezember wird immer kürzer. Wir haben nicht mehr viel Zeit, die Dinge gut und sachlich zu bearbeiten.

Immer wieder wird die Kritik laut, die Grünen setzten sich nur für Themen ein, die sie persönlich betreffen würden, hätten aber nicht das Wohl der gesamten Kommune im Blick.

Zuckermann: Das wird immer wieder von allen Fraktionen behauptet. Dass das nicht so ist, sieht man doch am Beispiel des Kindergartens. Dort einen persönlichen Vorteil für die Grünen abzuleiten, ist absurd. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, von dem vor allem die Kommune profitiert, Stichwort Standortsicherung. Wir haben in all der Zeit keine Anträge eingebracht, aus denen man solch eine Meinung ableiten kann. Natürlich ist es so, dass man auch durch persönliche Erlebnisse auf Dinge aufmerksam wird. Aber das betrifft nicht nur die Grünen.

Die beiden Partner, CDU und SPD haben sich getrennt. Wie haben Sie den Bruch der Koalition wahrgenommen?

Zuckermann: Die Koalition ist schon vorher nicht damit aufgefallen, besonders koalitionär aufzutreten. In Ausschusssitzungen hatten SPD und CDU unterschiedliche Meinungen und in Abstimmungen unterschiedlich abgestimmt, was dann im Parlament wieder komplett gekippt wurde. Persönlich hat mich das nicht überrascht, denn ich hatte nicht das Gefühl, dass die beiden Parteien bei den letzten beiden Haushaltsverhandlungen mit einer Stimme sprachen.

Sie sind nun Gießener, bleiben den Allendorfer Grünen aber als Ortsverbandsvorsitzender erhalten.

Warum?

Zuckermann: Grüne Politik in Allendorf wird mit mir in Verbindung gebracht. Die Partei wird für ihre Arbeit anerkannt, nicht nur von klassischen Grünen-Wählern. Mit meinem Verbleiben im Ortsverband geben wir das Signal: Was wir begonnen haben, wird nicht verschwinden, nur weil ich nach Gießen ziehe. Ich kann wegen meines Umzugs nicht mehr im Parlament mitarbeiten, aber dafür weiterhin im Ortsverband. Die Fäden liefen bisher bei mir zusammen, und wir haben beschlossen, dass das bleiben soll. Schließlich gibt es ein gewachsenes Vertrauen zu Fachleuten wie Naturschützern, Elternbeirätenoder Mitgliedern von Bürgerinitiativen.

Wie geht’s politisch weiter?

Zuckermann: Ich werde bei der Kommunalwahl sicher auf der Liste der Grünen kandidieren. An welcher Stelle, weiß ich noch nicht. Ich bin außerdem im Kreisvorstand aktiv. Da sehe ich in Zukunft meinen Schwerpunkt.

Zur Person

Christian Zuckermann ist 1973 in Gießen geboren, Abi gemacht an der damaligen Landgraf-Ludwig-Schule und Ausbildung zum Restaurantfachmann im Hotel Steinsgarten. Nach dem Zivildienst leitete er mehrere Jahre das Restaurant im Künstlerhof Arnold in Allendorf. Eine zweite Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher folgte. Aktuell arbeitet er als Gruppenleiter in der Jugendhilfeeinrichtung Leppermühle. Verheiratet ist Zuckermann mit seiner Frau Nicole seit 2010, sie haben eine Tochter, Anna. Politische Ämter: Mitglied im Kreisvorstand, Parteiratsdelegierter, Ortsverbandsvorsitzender in Allendorf/Lumda

Kommentar verfassen

Artikel kommentieren


* Pflichtfeld

Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.

Verwandte Artikel